Das BfR räumt endlich Versäumnisse ein – und bleibt doch bei seinem Standpunkt

– 29. Oktober –

Das Bundesinstitut für Risikobewertung gibt in seinem Abschlussbericht an die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA zu, deutliche Hinweise auf die Kanzerogenität von Glyphosat in fast allen relevanten Tierversuchs-Studien übersehen zu haben. Dennoch stehe dies einer Verlängerung der Zulasssung nicht entgegen, behauptet die Behörde dreist. Das Ackergift sei bei richtiger Anwendung für den Menschen ungefährlich.

Bildschirmfoto 2015-10-29 um 19.19.46Insgesamt gibt es sieben Glyphosat-Langzeitexperimente an Ratten und fünf an Mäusen, die von Wissenschaftlern als aussagekräftig angesehen werden. Ausgerechnet in den Studien an Mäusen hat die deutsche Risikobewertungs-Behörde nun endlich deutliche Hinweise auf eine krebserregende Wirkung bei Tieren erkannt – nachdem sie diese Studien früher größtenteils anders bewertet hatte.

In dem neuen Bericht des BfR, den das ARD-Magazin »Fakt« vorab auf seiner Internetseite veröffentlicht hat, räumt das Amt ein, dass sich in allen fünf ausgewerteten Langzeitstudien an Mäusen signifikante Steigerungen verschiedener Tumorarten zeigten: Lymphdrüsenkrebs, Nierentumore sowie Krebs der Blutgefäße. Diese zwischen 1983 und 2009 erstellten Studien  hat das BfR in seine Glyphosat-Bewertungen einbezogen. In einer ersten Version des Risikoberichts vom 18. Dezember 2013 hatte die Behörde seltsamerweises nur in einer Studie auffällige Häufungen von Lymphdrüsenkrebs gefunden. Diese Studie stufte die Behörde als nicht relevant ein, weil die vier anderen Studien keine Effekte gezeigt hätten.

Die Süddeutsche Zeitung fragt in ihrem Artikel: »Wie kann es sein, dass solch wichtige Tatsachen übersehen wurden?« Und weiter: »Kritiker vermuten schon lange, dass sich die deutschen Aufseher, die bereits Ende der Neunzigerjahre die EU-Erstbewertung des Stoffs übernahmen, zu sehr auf Informationen der Hersteller verlassen haben. Offenbar zu Recht. Denn als Begründung, warum die Krebsforscher der WHO eine Reihe signifikanter Tumorhäufungen feststellten, das BfR aber nicht, schreibt die Behörde, sie habe sich anfangs auf die statistischen Auswertungen der Studienreporte verlassen – also auf die Angaben der Industrie. Und diese Reporte der Industrie hätten einen von den Krebsforschern der WHO angewendeten statistischen Test, einen sogenannten Trendtest, nicht verwendet.«

Trendtests gehören zum Standard bei der Beurteilung von Tierversuchen zu Krebs. Sie geben Auskunft darüber, ob die Effekte über alle Tiergruppen hinweg mit der Dosis ansteigen, also ob ein signifikanter Trend erkennbar ist. Der Toxikologe Peter Clausing, der für das pestizidkritische Netzwerk PAN arbeitet, meint zu diesem Versäumnis in den von der agrochemischen Industrie selbst durchgeführten Studien: »Der Trendtest ist der von der OECD vorgegebene Standard zur Auswertung von Karzinogenitätsstudien. Ich kann nicht verstehen, warum das BfR diesen Standard nicht anwendet und sich damit zufriedengibt, was die Industrie ihr präsentiert.»

Die OECD-Richtlinie zur Durchführung von Krebsstudien an Tieren hebt genau diesen von der WHO angewendeten Trendtest besonders hervor …

(Für weitere Ackergifte-Meldungen siehe auch den Haupt-Blog unserer Kampagne.)


So wird der Urin korrekt erhitzt

– 16. Oktober –

Im Lauf der letzten Aktionswochen der Urinale kamen mehrfach Menschen auf uns zu, die berichteten, dass der Urin im Röhrchen bei der Abkochung fast vollständig verdampft sei. Das wunderte uns sehr, zumal es sich um Proberöhrchen vom Labor handelt, und so vermuteten wir vereinzelte Produktionsfehler.

Tatsächlich stellte sich jetzt heraus, dass die Abkochung zu gut (also: falsch) durchgeführt wurde; womöglich war die Anleitung auf dem Fragebogen des Labors missverständlich formuliert. Das zur Hälfte mit Morgenurin befüllte Röhrchen darf NICHT 10 Minuten lang gekocht werden, sondern soll 10 Minuten in Wasser liegen, das soeben gekocht hat und von der Platte genommen wurde!

Richtige Vorgehensweise zur Sterilisierung und Haltbarmachung der Urinprobe:

  1. Füllen Sie das Proberöhrchen zur Hälfte mit Ihrem Morgenurin (Mittelstrahl).
  2. Verschließen Sie das Röhrchen mit dem Schraubdeckel.
  3. Bringen Sie in einen Topf etwas Wasser zum Kochen und nehmen Sie diesen von der Herdplatte, wenn das Wasser kocht.
  4. Legen Sie dann das verschlossene Röhrchen für 10 Minuten in das abgekochte Wasser.

Gutes Gelingen!

Wir bitten, eventuell durch missverständliche Formulierung entstandene Unannehmlichkeiten zu entschuldigen.


Greifswald pinkelt!

– 11. Oktober –

Letztes Wochenende gab es spontan noch in Greifswald die Möglichkeit, Urinprobensets einzustecken. Bei einem Wohnzimmerkonzert in der Hansestadt wurde fluchs ein kleiner Hinkucker aufgestellt, der Menschen dazu einlud, sich an der Aktion zu beteiligen.

urinale Greifswald


München: Urin an- bzw. abgezapft!

– 13. Oktober –
Angezapft
»O’zapft is!« (Hochdeutsch: »Es ist angezapft!«) ist bekanntlich der traditionelle Ausruf des Münchener Bürgermeisters nach dem Anstechen des ersten Bierfasses auf dem Oktoberfest. Ob den Teilnehmer_innen der Urinale-Veranstaltung im Münchener Gemeinschaftsgartens »O’pflanzt is!« wohl dieser passende Kalauer eingefallen ist? Die Urinale haben die Urban-Gärtner_innen mit ihrem Erntedankfest zusammengelegt; und der Gartenverein hatte beschlossen, sieben Teilnehmer_innen die Kosten für die Urinuntersuchung zu sponsern. Weitere Bilder auf der Facebook-Seite von O’pflanzt is …


Kleine Presseschau

– 13. Oktober –

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Nå er flere aksjoner på gang for å få EU til å si nei til glyfosat. Den mest folkelige tyske er «Urinale 2015». På steder rundt i landet får folk testet urinen for glyfosatrester. Det vil gi nyttige data, samtidig som det er en mulighet til å aksjonere. Pissing som protest. Det er kommet krav om avgift på sprøytemidler for å kompensere skadene samfunnet blir påført.

Das ist nicht der Bericht von der Urinale im Emsland, sondern Teil eines Artikels über europäischen Ackergifte-Widerstand aus einer norwegischen Zeitung, geschrieben von der Journalistin Kari Gaasvatn. Den Bericht über die Urinale an Kristian Lampens Hof Emsauen gibt es hier. Die Osnabrücker Zeitung hatte bereits im Vorfeld über die Aktion aufgeklärt: »Pipi-Party in Rhede«

EMS-Zeitung_Dirk Hellmer                                                                                                          Foto: Ems-Zeitung/Dirk Hellmers


Ackergifte-Hersteller investierten 100 Mio. Dollar in Lügenkampagne

– 9. Oktober –

GeldkofferAuf der Website von »Project Censored« werden solche Nachrichten gesammelt, die es trotz aller Relevanz aus irgendwelchen Gründen nicht in die Schlagzeilen schaffen. Aktuell nennen die Macher dieser Seite auch die kaum bekannte Tatsache, dass die Agro-Chemie-Giganten sehr viel Geld ausgegeben haben, um die Öffentlichkeit davon zu überzeugen, dass das Bienensterben rein gar nichts mit ihren Produkten zu tun habe.

Nachdem ab dem Frühjahr 2014 mehrere wissenschaftliche Studien in den USA die große Gefährlichkeit zweier vielgenutzter Neonikotinoide (Insektizide) für Honigbienen-Völker herausgestellt hatten, begannen die großen Hersteller dieser Ackergifte demnach eine riesige PR-Kampagne. Auf ProjectCensored.com heißt es, dass diese in vielerlei Hinsicht jener Kampagne der Tabak-Lobby glich, bei der jahrzehntelang sämtliche Hinweise auf die Gesundheitsschädlichkeit des Rauchens abgestritten wurden.
Bayer, Syngenta und Monsanto war die »wissenschaftliche« Leugnung der Bienengefährlichkeit ihrer Neonikotinoide offenbar mehr als 100 Mio. Dollar wert …

Zu den Neonikotinoiden gibt es momentan auch wieder eine wichtige Petition
Die Aktionsplattform SumOfUs.org schreibt: »Zuerst die gute Nachricht: Mit einem wegweisenden Urteil hat ein US-Gericht gerade die Bienen vor einem Massensterben gerettet. Es hatte festgestellt, dass das bienengefährdende Pestizid Sulfoxaflor niemals hätte zugelassen werden dürfen. Das Nervengift wird vom Chemieriesen Dow Chemical produziert.

Und jetzt die schlechte Nachricht: Genau dieses Gift hat die EU in diesem Sommer zugelassen. Und wissen Sie auf welcher Grundlage? Auf der Grundlage, dass Dow Chemical die Unbedenklichkeit seines Produktes nachweist – also nicht etwa ein unabhängiges Forschungsinstitut, sondern genau der Konzern, der mit seinem neuen Produkt den europäischen Markt erobern will!

Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit kam zu der Einschätzung, dass Neonikotinoide eindeutig schädlich sind – doch die EU-Kommission verlässt sich lieber auf die Angaben des Hersteller-Konzerns. Diesen Wahnsinn müssen wir stoppen, bevor es zu spät ist!«

Die Petition an die EU-Kommission kann man hier unterzeichnen.


Impressionen aus dem Berliner Prinzessinnengarten und aus Neubrandenburg

– 8. Oktober –

Svenja Nette hat in dem bekannten Berliner Gemeinschaftsgarten »Prinzessinnengarten« eine Urinale-Veranstaltung organisiert. Hier ihr Fazit: »Es war schön, aber leider nicht besonders gut besucht. Alle 50 Protest-Kits sind weggegangen und etwa die Hälfte der Labor-Kits. Utes Scheubs einführende Rede war schön, und die Leute, die da waren, waren auch sehr interessiert. Also, es war schon gut – aber da greift dann eben manchmal die Berlin-Dynamik: obwohl 100 Leute ihr Kommen ankündigen, waren bei Eröffnung dann vielleicht 20 da. Wir haben noch über den Tag relativ viel Laufpublikum bekommen und somit auch Leute ansprechen können, die sich vorher noch gar nicht dafür sonderlich interessiert haben – das hatte dann auch was Gutes. Ich werd selbst auch noch ein Labor-Kit einschicken, auf das Ergebnis bin ich gespannt.«
Malte Cegiolka war mit seiner Kamera vor Ort und hat ein nettes kleines Filmchen produziert:

Elias Gottstein aus Wulkenzin bei Neubrandenburg erzählt von der dortigen Veranstaltung: »Am 4.10. gab es in Wulkenzin zur Urinale ein volles Programm. Für etwa 15 Interessierte spielte ein Quintett aus der Neubrandenburger Philharmonie Volksmusik aus Griechenland, Kuba und Argentinien. Das vom Veranstalter Andreas Wiebecke-Gottstein komponierte Stück „Ackergifte? Nein Danke!“ zum Video der gleichnamigen Kampagne wurde uraufgeführt und gleich noch mal für das begeisterte Publikum als Zugabe gespielt.
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Nach einer kleinen Pause mit überwiegend veganen Snacks wurde der Film „Tote Tiere, kranke Menschen“ von Andreas Rummel gezeigt. Im Anschluss entstand eine kleine Gesprächsrunde. Die Möglichkeit, nicht passiv zu bleiben, sondern zur Tat zu schreiten – Urin für die statistische Erhebung zu spenden – machte die Veranstaltung für viele Teilnehmer*innen zu einem runden Ereignis.«


Urinale am Kaiserstuhl erfolgreich gestartet

– 7. Oktober –

Zur vom »Aktionsbündnis Kaiserstuhl zur Vermeidung von Glyphosat« organisierten Urinale-Auftaktveranstaltung kamen in dem Qualitäts-Weinbaugebiet bei traumhaft schönem Herbstwetter 25 interessierte Bürgerinnen und Bürger aus Ihringen und der näheren Umgebung in das Gehöft der Familie Breisacher. Hans Gugel schrieb uns: »Die meisten der aktiven TeilnehmerInnen an der Urinale wählten die Analyse aus Leipzig [und nicht die Proben-Verschickung an den Bundeslandwirtschaftsminister]. Die übrig gebliebenen Testbeutel versuche ich jetzt in den nächsten Tagen an meine Kunden in meiner Praxis und in der Ganzheitlichen Rückenschule auszugeben.«
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Dass nicht noch mehr Leute zur Urinale erschienen, führt Hans Gugel auf das schöne Wetter sowie auf die Tatsache zurück, dass in der von Weinbau und anderen intensiven Kulturen geprägten Kaiserstuhl-Region »natürlich« noch viele Ackergifte verwendet würden: »Dieser Personenkreis kann meinen und unseren Aktivitäten natürlich kein Augenmerk schenken …«


Das unzuständige Ministerium?

– 6. Oktober –

Derzeit senden besorgte Bürgerinnen und Bürger Urinproben ans Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), verbunden mit der Bitte, diese auf Rückstände des Ackergifts Glyphosat zu untersuchen. Der begründete Verdacht dieser Menschen ist, dass sie Glyphosat über ihre Nahrung aufgenommen haben könnten. Nun haben wir festgestellt, dass diese Proben auf höchst ungewöhnliche Weise vom Ministerium »bearbeitet« werden: Sie werden mit einem Etikett versehen, dass die Sendung nicht das BMEL betreffe, und postwendend zurückgesandt. Auf dem Anschreiben an den Bundeslandwirtschaftsminister findet sich dann ein handschriftlicher Vermerk, dass die »ordnungsgemäße Behandlung« der Probe nicht möglich gewesen sei!

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Erstaunt fragen wir uns: Wer, wenn nicht der Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft und das ihm unterstehende Ministerium, sollte dafür zuständig sein, besorgten Bürgerinnen und Bürgern Auskunft über die Belastung mit einem in der Landwirtschaft eingesetzten Ackergift, das über die Nahrung aufgenommen worden sein könnte, Auskunft zu erteilen?

Wir schlagen deshalb vor, dass Betroffene die zurückgesandte Urinprobe erneut an das BMEL einsenden und eine formal korrekte Auskunft bzw. die Weiterleitung der Probe an die zuständige Stelle einfordern. Als Formulierungshilfe kann dieser Vordruck heruntergeladen werden. So können Sie Ihre Nachfrage ans BMEL richten:

  1. Besorgen Sie sich einen geeigneten Luftpolsterumschlag, oder entfernen Sie Adressaufkleber und Frankierung von dem alten, um Verpackungsmüll zu vermeiden.
  2. Geben Sie die Karte und die Urinprobe Ihrer ursprünglichen Sendung in den neuen Umschlag und legen Sie einen mit Absender, Datum und Unterschrift versehenen Brief an Bundesminister Christian Schmid bei (dazu können Sie zum Beispiel den über diese Seite herunterladbaren Vordruck verwenden).
  3. Adressieren Sie den Umschlag ans BMEL.
  4. Vermerken Sie auf dem Umschlag »Freigestellte medizinische Probe«.
  5. Frankieren Sie den Umschlag mit 2,40 Euro.
  6. Senden Sie den adressierten und frankierten Umschlag ans BMEL.
  7. Drücken Sie auf Ihre persönliche Weise an geeignet erscheinenden Stellen Ihr Erstaunen darüber aus, dass das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft BMEL Ihre Sorge darüber, mit einem in der Landwirtschaft eingesetzten Pflanzengift belastet zu sein, das mit der Ernährung in Ihren Körper gelangt sein könnte, nicht ernstnimmt.
  8. Informieren Sie uns über den weiteren Verlauf Ihrer Korrespondenz mit dem BMEL.

Christiane van Schie berichtet vom Erntedank-Tag in Stralsund

– 4. Oktober –

Als ich von der Urinale erfuhr, war für mich klar, dass ich die Kampagne mit einer Aktion unterstützen will. Dann erfuhr ich, dass auf dem Erntedank-Tag in Stralsund unter anderem auch eine Spritzmaschine für Ackergifte ausgestellt werden sollte. Das hat mich bewogen, mit dem BUND Stralsund kurzfristig den Antrag für einen Informationsstand zu stellen. Zusammen mit einer Aktivistin des BUND habe ich diesen Stand betreut. Die anwesenden Großbauern fühlten sich bald von dem Begriff »Ackergift« provoziert, und wir wurden aufgefordert, unsere Plakate mit der Aufschrift »Ackergifte im Körper? – Labortest möglich!« zu entfernen.
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Statt die Plakate abzunehmen, haben wir zu einem persönlichen Gespräch eingeladen, was von zwei Landwirten angenommen wurde. Am Ende eines langen informativen Gespräches, blieben unsere Plakate mit dem Einverständnis der Großbauern hängen. Die Urinale wurde von den Besuchern des Erntedank-Tages mit viel Interesse angenommen, am Abend waren mehr als 80 Umschläge mit Laborproben verteilt. Möge diese Kampagne mit einer wissenschaftlichen Studie ein schnellstmögliches Verbot von Glyphosat und allen anderen Ackergiften unterstützen!