Verwendung von Glyphosat in der Landwirtschaft

– 24. November –

Ein Diskussionsbeitrag aus Sicht einer Betroffenen

Bei einer Untersuchung meines Urins am 10.11.2015 im Rahmen der »Urinale« durch das Labor BioCheck GmbH wurde eine Glyphosat-Belastung von 0,73 Mikrogramm/Liter festgestellt.

In der Europäischen Grundwasserrichtlinie (Richtlinie 2006/118/EG) gilt für Belastungen durch einzelne Pestizide ein Grenzwert von 0,1 Mikrogramm/Liter (bzw. 0,5 Mikrogramm/Liter für die Summe aller Pestizide). Bei mir wurde nur ein einzelnes Herbizid untersucht. Dies allein überschreitet den o.g. Grenzwert um mehr als das Siebenfache.

Bei einem Grenzwert in einer EU-Richtllinie geht man davon aus, dass dieser auf einer wissenschaftlichen Grundlage festgelegt wurde, in diesem Fall also bei höherer Kontamination eine Gesundheitsgefährdung nicht auszuschließen ist. Eine siebenfache Belastung nur mit Glyphosat ist deswegen besorgniserregend, weil man annehmen muss, dass es wie gewöhnlich in Kombination mit anderen Zusatzmitteln ausgebracht wurde und bei entsprechender Analyse weitere Pestizide gefunden worden wären, die dessen toxische Wirkung gefährlich potenzieren. Allein AMPA als sein Metabolit hat seine eigene Giftigkeit.

Die Suche nach den Ursachen lässt mich zunächst an eine Belastung durch Glyphosat in Lebensmitteln denken. Allerdings ernähre ich mich fleischlos und vorwiegend biologisch, was Brot, Milchprodukte, Gemüse und Obst umfasst. Eine so deutliche Kontamination ist damit nicht erklärt. Das Gleiche gilt für die dermale Aufnahme, da ich Reinigungsmittel und Körperpflegeprodukte ebenfalls aus dem Bioladen verwende. Bleibt eigentlich nur die Möglichkeit, dass ich Glyphosat inhaliert habe. Über diese Eintragungsmöglichkeit gibt es in Deutschland kaum Untersuchungen, Langzeitstudien und Parameter, jedoch immer mehr empirische Beobachtungen und einen Verdacht, den ich nicht ausschließen kann:

Vor meinem Grundstück in Stabeshöhe, Uckermark, liegt ein riesiges Feld, auf dem Jahr für Jahr Mais oder Raps angebaut wird. Dieser Acker wird immer wieder gespritzt mit Fungiziden, Herbiziden, Insektiziden, Halmstabilisatoren. Dies in unterschiedlichen Kombinations-Präparaten und unter fantasievollen Namen, sei es »Roundup«, »Trinity«, »Plenum« etc. Laut anerkannter wissenschaftlicher Studien ist die inhalative Toxizität bis zu 1000x höher als etwa über die orale Aufnahme. Einer Inhalation dieser Mittel auszuweichen ist unmöglich, es sei denn mit Atemschutzmaske über Tage, wenn gespritzt wird. Pendimethalin beispielsweise, 50%iger Bestandteil der Formulierung von »Trinity« verbreitet sich durch hohen Dampfdruck kilometerweit über die Luft. Dieser giftigen Abdrift bin ich ausgesetzt sowie der anderer Kombi-Präparate auch. Ich kenne mich nicht aus, wie und wo inhalierte Pestizide sich im Körper anreichern, zum Beispiel in der Leber. Dass sie verstoffwechselt werden, steht indessen fest, ein Beispiel ist deren Nachweis in der Muttermilch. Damit ist die übliche Beschwichtigung, sie würden sofort wieder ausgeschieden, nicht überzeugend. Was ich aber weiß ist, dass meine Nachbarin am anderen Ende des Ackers jedesmal, wenn gespritzt wird, Asthma-Anfälle bekommt. Ärzte sind auf diesem Gebiet noch ratlos, gleichwohl kommen immer mehr Patienten mit Autoimmunerkrankungen, die sich nicht erklären lassen. Hilflos wird Cortison verabreicht.  Bei mir ist es vorerst nur ein chronischer Husten, welchen ich als Nichtraucherin auf die Abdrift vom Acker zurückführe. Denn die sogenannte gute Landluft ist inzwischen alles andere als gesund, da sie eine Fülle giftiger Aerosole enthält.

Die Toxizität von Glyphosat für Wildtiere ist weltweit bestens dokumentiert. Ein Indikator für seine Wirkung, zusammen mit anderen giftiger Ackerchemikalien, ist die Tatsache, dass auch bei uns mittlerweile fast alle Ackerlebewesen verschwunden sind, seitdem gespritzt wird, wie unterirdische Pilzgeflechte, Kleinstlebewesen, Regenwürmer, Insekten und Bienen, Frösche, Vögel. Tiere kommen aber auch über die Haut in Berührung mit den systemisch über die Pflanzen verteilten Wirkstoffen und trinken die giftige Brühe, die in die tief liegenden Sölle fließt. Deshalb gibt es bei uns kaum noch Amphibien, die sehr empfindlich auf Glyphosat reagieren. Die Ausrottung unserer Tiere und Pflanzen vollzieht sich dazu in einem als Schutzgebiet ausgewiesenen Flurstück für Flora und Fauna (FFH), zu welchem auch der Acker vor meiner Haustür gehört. Das muss man sich mal vorstellen: in diesem »Schutzgebiet« wird alles getötet, was nicht Ertragspflanze für den Landwirt ist. Zudem wird den Tieren durch die Vernichtung aller Ackerwildkräuter die Nahrung entzogen, weswegen sie verhungern. Welch eine unglaubliche Verhöhnung des FFH-Schutzes, und die Umweltämter schweigen dazu.

Nun: ich muss den Mais nicht essen, anfassen tu ich ihn lieber auch nicht, aber ums Einatmen der Ackergifte komme ich nicht herum.

Deswegen veröffentliche ich meinen Laborbefund von 0,73 Mikrogramm Glyphosat. Ich vermute, dass die bei fast allen Probanden nachgewiesene erstaunliche Kontamination mit Glyphosat zu einem nicht unerheblichen Teil durch Inhalation über Abdrift toxischer Aerosole verursacht wird.

Nach allem, was wissenschaftliche Studien belegen, sind bereits minimalste Dosen giftig, wenn sie über einen längeren Zeitraum aufgenommen werden. Die Behörden sehe ich in der Pflicht zu handeln nach § 13 des Pflanzenschutzgesetzes, nämlich einer möglichen Gefährdung von Menschen, Umwelt und Tieren entgegenzuwirken durch ein vorsorgliches Verbot der Freisetzung von Ackergiften. Weltweit häufen sich erdrückende Indizien sowohl aus der Bevölkerung als auch von Wissenschaftlern, dass Menschen und Tiere davon krank werden. Unsere Behörde entledigt sich ihrer Verantwortung stets durch den routinemäßigen Verweis auf die »gute fachliche Praxis«, durch deren ordnungsgemäße Anwendung keine Gefährdung bestehe. Welch ein Unsinn ! Ob man nun ordentlich oder unordentlich spritzt: Fakt ist, dass Chemiegifte nicht auf den lebendigen Organismus Acker gehören, weil sie dessen Biologie zerstören. Sie kontaminieren den Boden und das Wasser, aber auch die Luft. Das tun sie auch dann, wenn sie ganz »bestimmungsgemäß« ausgebracht werden, was bei uns ohnehin nicht kontrolliert wird. Glyphosat als Totalherbizid hat dabei die klare Bestimmung, alles an Pflanzen abzutöten, was nicht die Ertragspflanze ist. Genau so klar ist, dass ein glyphosathaltiges Pflanzenschutzmittel, welches wie Roundup ursprünglich mal als Rohrreiniger patentiert wurde, im Körper von Menschen wie auch in meinem wirklich überhaupt nichts zu suchen hat.

Vor diesem Hintergrund ist es mir absolut unverständlich, dass die sogenannte TASK-Force (Industrievertreter, die die deutschen Behörden wie BMEL, BVL, BfR usw. beraten) die Weiterzulassung von Glyphosat nicht nur empfohlen, sondern die ADI (Accepable Daily Intake) noch von 0,3 auf 0,5 Milligramm/Kilogramm Körpergewicht heraufgesetzt hat. Demnach ist es beispielsweise für eine Person von 60 Kilogramm unbedenklich, täglich 30 Milligramm Glyphosat über Speisen und Getränke aufzunehmen. Angenommen, das seien inklusive Getränke drei Kilogramm, bedeutete dies eine akzeptierte Belastung der Nahrung von 10 000 Mikrogramm/Kilogramm gegenüber 0,1 für Grundwasser.

Warum dürfen Nahrungsmittel derartig hoch belastet sein, wenn Grundwasser bereits ab 0,1 Mikrogramm/Liter bedenklich ist? Wieso ist der eine Grenzwert 100 000 mal höher als der andere? Wie kann es angehen, dass zum Beispiel der EU-Grenzwert für Weizen bei 10 000  und für Soja bei 20 000 Mikrogramm/Kilogramm liegt?

Ich ziehe daraus folgende Schlüsse: Grenzwerte werden offenbar recht willkürlich festgelegt. Ein Prinzip ist dabei erkennbar: Grundwasser ist (noch) Allgemeingut und genießt daher einen adäquaten Gesundheitsschutz von 0,1 Mikrogramm Pestizid/Liter. Sobald jedoch an der Nahrungsmittelproduktion kräftig verdient wird, hört die Sorge um die Gesundheit ganz schnell auf, da darf die »akzeptierte Belastung« auch gern höher sein, nicht nur zehnfach oder hunderfach, sogar 100 000 mal so hoch. Beim Anbau von Mais für die Ethanolproduktion, der bei uns andere Feldfrüchte wie Rüben, Kartoffeln, Weizen etc. flächendeckend vertrieben hat, endet jeder Schutz: was schert uns der Acker, was scheren uns die Tiere. Und was Menschen angeht: eine Kausalität zwischen Exposition des Giftes und Ausbruch einer Erkrankung nach Jahren wird man nie nachweisen können. Ein sicheres Geschäft.

Nach meiner jahrelangen Erfahrung im Kampf gegen Glyphosat handeln Gesetzgeber und Bundesbehörden unmündig und grob fahrlässig, indem sie beharrlich das gesetzlich verpflichtende Vorsorgeprinzip missachten. Die alarmierenden Berichte von betroffenen Menschen wie mir, aber auch die unabhängiger Wissenschaftler werden ignoriert, bagatellisiert, diskreditiert. Vielmehr sehen sich die Zulassungsbehörden den Wünschen der Agrar- und Chemiekonzerne verpflichtet, die sie folgerichtig auch als ihre »Kunden« bezeichnen. Sie denken gar nicht daran, diese außerordentliche Gefährdung von Mensch und Natur zu unterbinden. Wenn man nicht Korruption annehmen will, dann zumindest verantwortungslosen Wahnsinn.

Sybilla Keitel