Toxikologin: „Diese Studie dürfte das Ende von Glyphosat besiegeln“

– 28. September –

Eine Ende August veröffentlichte Studie eines internationalen Wissenschaftlerteams offenbart, dass Glyphosat bereits in Konzentrationen, die 100 000-fach geringer sind als der vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) empfohlene Grenzwert für die zulässige tägliche Aufnahmemenge des Mittels, toxisch wirkt.

Die Forscher hatten Leber- und Nierenzellen von Ratten untersucht, die zwei Jahre lang Roundup in niedrigsten Dosierungen – 4 Nanogramm pro Kilo Körpergewicht – im Trinkwasser erhielten. Die Toxikologin Dr. Anita Schwaier hält die Studie für bahnbrechend, weil ein neuer, besonders problematischer Wirkmechanismus erkannt worden sei. „Glyphosat bewirkt Störungen bei der Ablesung des Erbguts, sogenannte epigenetische Veränderungen, die nicht reversibel sind und auf nachfolgende Generationen übertragen werden können. Dieser Wirkungsmechanismus ist eine Erklärung für die Vielzahl der Erkrankungen, die beim Menschen beschrieben wurden, einschließlich Missbildungen und Krebs“, erklärt Schwaier, die die Studie des internationalen Wissenschaftlerteams ausgewertet hat. Das Fazit der Toxikologin: „Diese Studie dürfte das Ende von Glyphosat zumindest in Europa besiegeln“.  Schwaier
Schwaier zufolge beweist die Studie, dass Glyphosat zur Gruppe der endokrinen Disruptoren, den hormonartig wirkenden Substanzen gehört, deren Verbot nach EU-Recht jetzt bevorsteht. So wurden in der Studie bei den Versuchstieren auch Veränderungen im Hormonspiegel, unter anderem bei den für die Fortpflanzung wichtigen Hormonen Testosteron und Östradiol, registriert. Außerdem traten Veränderungen von Leber- und Nierenzellen sowie Funktionsstörungen dieser Organe auf. Schwaier weist die Vermutung des Bundesinstituts für Risikobewertung, dass möglicherweise nicht Glyphosat, sondern Beistoffe des Pestizids Roundup die toxischen Wirkungen ausgelöst haben könnten, zurück. „Eine Eigenwirkung der Hilfsstoffe auf das epigenetische System ist sehr unwahrscheinlich“, so Schwaier.

Aufgrund der Einstufung der internationalen Krebsforschungsagentur, wonach ›wahrscheinlich krebserregend‹ sei, ist ein Glyphosatverbot aus Sicht vieler Experten zwingend notwendig. Ein Bündnis von 12 Nichtregierungsorganisationen richtet darüber hinaus in einem heute veröffentlichten Positionspapier umfassende Forderungen an die Bundesregierung. Sie rufen dazu auf, die Bevölkerung durch ein Bündel an Maßnahmen besser vor Glyphosat und anderen Pestiziden zu schützen. „Der Fall Glyphosat offenbart grundlegende Defizite im System der Zulassung und Anwendung von Pestiziden. Wir fordern tiefgreifende Reformen des Zulassungssystems und eine verstärkte politische Förderung nicht-chemischer Pflanzenschutzverfahren“, erläutert Sievers-Langer, die Koordinatorin der gemeinsamen Verbändepositionierung.

Quelle: Gemeinsame Pressemitteilung der NGOs Agrar Koordination, Slow Food Deutschland sowie »Ackergifte? Nein danke!«

Update: Ein Beitrag in der Süddeutschen Zeitung versucht heute herauszufinden, warum BfR und die Krebsforschungsagentur der WHO bei ähnlicher Datenlage zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. In dem Artikel wird auch der oben erwähnte Erklärungsversuch des BfR-Präsidenten Andreas Henkel zitiert, sein Institut habe ja nicht die Beistoffe in den Pestiziden untersucht, sondern den Wirkstoff Glyphosat selbst.